Internet? Pah!

Aufgrund einiger unglücklicher Ereignisse bin ich im Moment gezwungen die Verbindung meines Smartphones als Internetzugang für all meine Geräte zu missbrauchen. Konkret bedeutet dies: 1GB Datenvolumen bei 14,4MBit/s, danach gedrosselt auf 64kbit/s im Download und 16kbit/s im Upload (für alle die mit den Zahlen nichts anfangen können: Das ist sehr, sehr langsam. Manche erinnern sich vielleicht noch an Modems, die hatten in etwa diese Geschwindigkeit. Und ja, Modems waren diese ziegelsteinartigen, piepsenden Dinger mit denen man damals™ noch im World Wide Web unterwegs war).

Wie ich an früherer Stelle schon einmal schrieb benötige ich im Monat ca. 53GB Datenvolumen (für all meine Geräte). Dass das so jetzt nicht mehr funktioniert sollte klar sein.

Daher habe ich in den letzten Tagen Wochen gewisse "Strategien" entwickelt, was man mit reduzierter Datenrate überhaupt noch anstellen kann. Zuvor aber noch ein paar Nachteile, die man dadurch hat:

  • Tägliche Systemupdates kann man vergessen, das würde zu viel des Datenvolumens verbrauchen. Das gefährdet selbstverständlich die Sicherheit aller Systeme, ist langfristig also keine Option. Wenn möglich zumindest die Sicherheitsupdates installieren, das geht allerdings nicht bei allen Systemen problemlos
  • Tätigkeiten in Foren oder Communities kann man ebenso vergessen (ein Glück, dass ich dieses Jahr weder als Projektleiter noch als Teamleiter irgendwo tätig bin. Ich frage mich ja noch immer, ob das Zufall war)
  • Soziale Netzwerke (die ich allerdings sowieso nicht nutze) kann man ebenfalls vergessen
  • Recherchen zu irgendeinem Thema: Kann man machen, aber je nach Webseite dauert das sehr, sehr lange
  • P2P-Clients via Internet (also Torrent, Bitcoin, Syncthing und dergleichen): Vergesst es
  • Online-Banking? Auch nicht wirklich, wenn die Seite der Bank zu überladen ist
  • Steuererklärung online? Kannste knicken!
  • Tumblr, Imgur, 9GAG und wie sie noch alle heißen: Auch nicht
  • Wordpress-Seiten…

Gerade der letzte Punkt ist etwas überraschend, aber nachvollziehbar: Wordpress-Seiten liefern so viele (unnötige) Inhalte mit (Schriftarten, Hintergrundgrafiken, etc.), dass es bei 64kbit/s (und das ist jetzt kein Scherz) auch mal mehrere Minuten dauern kann, bis die Website halbwegs geladen ist. Anders gesagt: Kann man total vergessen.

Gegenmaßnahmen

Glücklicherweise sind aber nicht alle Dienste im Internet derart datenhungrig, dass man sie gleich komplett vergessen müsste. Die folgenden Tipps sind daher universell anwendbar, um generell das Datenvolumen, welches man täglich/wöchentlich/monatlich braucht zu reduzieren.

News via RSS-Reader

Viele Webseiten bieten sogenannte RSS-Feeds an (oder auch Atom-Feeds). In Kombination mit einem RSS-Reader ist es so möglich, mehrere Webseiten regelmäßig auf Neuigkeiten zu überprüfen, ohne die Webseite selbst besuchen zu müssen (um wertvolles Datenvolumen zu sparen). Ich persönlich verwende auf meinem Smartphone hierfür spaRSS (oder via Google Play). Darin habe ich alle Webseiten eingetragen, die ich bisher manuell besucht habe. Damit mein Reader im Hintergrund nicht zuviel Datenvolumen benötigt habe ich das Aktualisierungsintervall auf einen Tag gestellt. Im Monat braucht der Dienst (für ca. 35 Webseiten) gerade einmal 80MB. Wesentlich weniger als ein regelmäßiger Besuch der Webseiten über den Browser benötigen würde.

Preloading/Automatische Downloads deaktivieren

Manche Apps laden, um den Komfort zu erhöhen, alle Bilder und Videos schon einmal im Hintergrund, falls man diese ansehen möchte. Besser ist es, die Bilder erst dann zu laden, wenn man sie tatsächlich ansehen möchte. Dazu muss man in den Einstellungen seiner Programme/Apps Preloading, automatische Downloads und dergleichen deaktivieren. Gerade für Facebook/Twitter/Google+ sehr zu empfehlen. Des Weiteren laden auch manche Browser schon einmal Seiten vor, die man eventuell besuchen möchte. Auch das sollte man deaktivieren.

Caches

Damit Daten, die häufiger benötigt werden, nicht mehrmals heruntergeladen werden müssen gibt es sogenannte Caches. Die größe des Caches kann man bei einigen Programmen (Browser, Apps) einstellen, und sollte hierbei auf einen möglichst hohen Wert gestellt werden. Der Programmstart dauert damit unter Umständen ein paar Millisekunden länger, verschwendet dafür aber kein Datenvolumen und stellt daher die zuletzt besuchten Seiten, Bilder oder Videos daher insgesamt schneller wieder zur Verfügung.

Problematisch ist es, wenn man im Browser den Private Mode nutzt, da dieser alle zwischengespeicherten Daten verwirft, wenn man ihn schließt. Entweder man verzichtet also auf den privaten Modus oder, alternativ, schließt das entsprechende Fenster nicht.

Alles, was man ansieht, herunterladen

Ja, vielleicht nicht alles, aber weitgehend. Man hat ein PDF-Dokument gefunden das man eventuell noch einmal lesen möchte? Herunterladen! Ein tolles Bild oder Video? Herunterladen! Generell sollte alles, was man möglicherweise ein zweites Mal betrachtet, einfach heruntergeladen werden. Ich habe mir sogar angewöhnt Videos nicht mehr im Browser anzusehen, sondern gleich herunterzuladen. Gefällt mir das Video, bleibt es auf der Festplatte, falls nicht wird es gelöscht. Das ist wesentlich besser, als zweimal Datenvolumen zu verschwenden (etwa durch ansehen im Browser und späteres herunterladen).

Was nicht zwingend eine Internetverbindung benötigt: Kappen!

Für mich hieß das: Den Spielerechner und das Tablet vom Netz nehmen. Der Spielerechner bekommt zwar keine Updates mehr, alle installierten Spiele sind aber weiterhin nutzbar. Anders gesagt: Es warten noch dutzende Singleplayer-Kampagnen auf mich.

Dezentrale Dienste verwenden

Was vorher über Google Drive, Dropbox oder ownCloud zwischen den Geräten gesynct wurde sollte eine dezentrale Alternative bekommen. So habe ich hier mittels Syncthing meine eigene, lokale Cloud. Ich brauche lediglich alles via WLAN miteinander verbinden, den Rest erledigt die Software. Und ich verbrauche dazu kein Datenvolumen (und muss auch nicht mit USB-Sticks hantieren).

Und sonst?

Und sonst gibt es ehrlichgesagt nicht mehr viel zu sagen. Es gibt keine wundersame Möglichkeit aus 1GB Datenvolumen auf magische Art und Weise mehr zu machen. Natürlich, wir haben mittlerweile gute Kompressionsstandards, sodass das gesamte Datenvolumen abnimmt, gleichzeitig verlagern sich allerdings immer mehr Tätigkeiten ins Internet (Stichwort as a Service). Es empfiehlt sich alle Programme, die man benötigt, lokal zu installieren. Somit ist man unabhängig von seiner Internetanbindung.

Ansonsten:

  • Kommunikation via sparsamer, wenn möglich offener Protokolle (IRC, Jabber/XMPP, etc)
  • E-Mails klappen auch bei 64kbit/s noch problemlos, sofern man nicht endlos Bildchen mitschickt oder HTML-Mails nutzt
  • Zur Administration des eigenen Servers kommt nach wie vor SSH zum Einsatz

Falls man noch einen Stapel Bücher herumliegen hat kann man diesen nun in Angriff nehmen. Wer generell viel Bücher liest wird innerhalb kurzer Zeit allerdings wieder Nachschub benötigen. Damit das nicht auf Kosten des Datenvolumens geht lohnt es sich, entsprechende Fachgeschäfte aufzusuchen. Tatsächlich gibt es zumindest in meiner Gegend noch relativ viele Buchläden, ein aussterben (wie man vor wenigen Jahren immer wieder propagiert hatte) ist nicht zu sehen (subjektiv ist sogar das Gegenteil der Fall).

Wer gerne bis halb vier Uhr morgens vor dem Rechner sitzt und endlose Zeilen Code anziehend findet sollte sich eine Sprache aussuchen, deren Dokumentation komplett offline verfügbar ist. Ich bin bei Go gelandet (Wikpedia-Artikel hierzu: klick). Einmalig waren das ca. 300MB an Daten die ich herunterladen musste, aber dafür habe ich alles, was man zur Entwicklung von Programmen braucht. Die komplette Dokumentation, der Source Code sowie Einstiegshilfen werden mitgeliefert. Ein regelmäßiger Besuch diverser Entwicklerforen entfällt deshalb (und spart – ein weiteres Mal – Datenvolumen).

Zur Kommunikation mit anderen kann man auf ressourcensparende Protokolle setzen. Voraussetzung hierfür ist natürlich, dass die Leute auch auf die gleiche Technologie setzen. Das wiederum macht es schwierig, überhaupt mit anderen zu kommunizieren. Wie man das am besten machte habe ich auch noch nicht herausgefunden, aber dafür ergibt sich hoffentlich in naher Zukunft eine Lösung.

Einzig Recherchen im Internet bleiben etwas mühsam. Solange man via Google und Wikipedia findet, was man sucht, ist das alles kein Problem. Beide Seiten sind erstaunlich gut auch mit geringer Bandbreite nutzbar. Auch Reddit ist überraschend schnell im Browser geladen (und bietet für wirklich alles ein Subforum, egal wofür man sich interessiert). Aber abgesehen davon: Nichts.

Aber ich BRAUCHE das Internet Un-Be-Dingt!

Wessen Geist allerdings immer noch nicht ruhen kann folgender Tipp: Endlich mal die lokalen Angebote nutzen! Man kann mit erstaunlich wenig Geld erstaunlich viel Zeit totschlagen. Eine Gitarre ist schnell gekauft und zum Lernen ist das Internet nicht wirklich nötig. Auch Sprachen lassen sich via Kurs relativ leicht erlernen. Für eine Fortbildung fehlte bisher die Zeit? Jetzt hat man definitiv Zeit. Und wer sich gerne mit Farben austoben möchte: Eine Leinwand und dazugehörige Farben sind schnell gekauft. Wem das immer noch nicht genügt: Sport soll auch ganz toll sein (so sagt man zumindest). Wer eine Kamera besitzt hat vielleicht auch Lust die örtliche Umgebung zu erkunden.

Und irgendwann, ja irgendwann hat man dann auch wieder eine schnelle Internetverbindung. Dann kann man sich wieder vor den eigenen PC setzen, die neuesten Updates herunterladen und Serien in HD via Netflix oder Amazon Prime streamen während man gleichzeitig auch noch im Internet surft (passend hierzu: Should I do something productive today?).

Letztlich stellt sich dann aber die Frage: Sollte man generell nicht den eigenen Konsum etwas einschränken, um dafür an sich selbst zu arbeiten?

I am the master of my fate:
I am the captain of my soul.
– William Ernest Henley, Schlusszeilen von Invictus