Messenger – Die Qual der Wahl

Am Ende meiner Schulzeit gab es viele konkurrierende Dienste, und ich selbst ging noch wesentlich freizügiger mit meinen Daten um als dies jetzt der Fall ist. So kam es, dass sich innerhalb kürzester Zeit dutzende Accounts von dutzenden Diensten ansammelten, welche heute weitgehend bedeutungslos geworden sind.

Wenige Monate darauf gab es dann einen weiteren neuen Dienst, welcher schneller als alle anderen wachsen sollte: Facebook.

Während dieser Zeit änderte sich allerdings auch mein Verhältnis zu privaten Daten und ich beschloss, dass ich keinen Facebook-Account haben wollte. In meiner jugendlichen Naivität sah ich darin nur eine weitere Plattform ohne nennenswerten Vorteil und ging davon aus, dass auch diese Plattform in wenigen Monaten wieder Geschichte sein wird.

Doch ich irrte mich, und was folgte war der natürliche Lauf der Dinge: Menschen, welche man vorher über Skype, ICQ und den ersten Versuchen „sozialer Plattformen“ erreichen konnte zwangen einen nun regelrecht zu Facebook, wenn man mit ihnen kommunizieren wollte.

Da ich zu dieser Zeit auch mit Linux, freier Software und dem Gedanken hinter Open Source in Berührung kam war für mich allerdins klar, dass eine weitere, geschlossene Plattform das Problem der Kommunikation nicht lösen wird. Ich verzichtete vorerst also auf geschlossene Standards und war lange Zeit nur via SMS, E-Mail oder auch im IRC erreichbar bzw. anzutreffen.

Mittlerweile sind ein paar Jahre vergangen und die Situation hat sich nicht wesentlich verbessert. Messenger mit geschlossenen Protokollen gibt es noch mehr als zuvor und Leute, die verstehen welche Risiken das birgt gefühlt noch weniger.

Offene Standards wären also nett. Doch auch hier gibt es einen – aus meiner Sicht – gravierenden Nachteil: Offene Standards werden meist nicht oder nur gering „vermarktet“, es steht in der Regel keine große Firma dahinter, die Software welche man dazu braucht sieht oft alt aus, überschüttet einen mit konfigurierbaren Optionen und ist manchmal schwierig in der Einrichtung. Kurz gesagt: Nichts, was die breite Masse jemals verwenden würde.

Und ich muss gestehen, dass auch ich bequemer geworden bin. Wenn ich für GPG-verschlüsselte E-Mails ein Plugin installieren muss ist mir das zu blöd. Wenn der IRC-Client irgendwelche obskuren Optionen benötigt ist mir das zu blöd. Und wenn der Jabber/XMPP-Client aussieht wie aus dem letzten Jahrtausend und umfangreich konfiguriert werden muss, werde ich den mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ebenfalls nicht nutzen.

Was bleibt?

Da ich nicht plane in Zukunft meine Sichtweise zu ändern und geschlossene Standards daher vermieden werden bleibt die Frage, was man denn nun nutzen kann oder sollte. Für mich hat sich das, wie auch für viele andere, auf ein paar wenige Standards bzw. Protokolle reduziert:

Konkret bedeutet dies, …

…dass sich die Anzahl der Programme die man nutzt auf etwa drei einpendelt. Ebenso, wie die Anzahl der Accounts, die man dazu benötigt. Die vorgestellten Standards erlauben zudem das aufsetzen eines eigenen Servers und die Kommunikation der Server untereinandern. D.h., wenn ich meinen derzeitigen Anbieter nicht weiter nutzen möchte, fällt mir keine Kommunikationsmöglichkeit weg (wie bei WhatsApp, Facebook, Google+, etc), sondern ich erstelle mir einfach bei einem anderen Anbieter einen neuen Account. Nutzern von E-Mails sollte das nicht unbekannt sein.

E-Mail

Eine E-Mailadresse hat fast jeder – entweder bei einem der vielen Anbieter, als Zugabe zu einem anderen Account (etwa bei Google) oder auch auf dem eigenen Server. Je nach Geschmack kann man den Client nutzen, den man möchte, oder auch das Webinterface, welches man bevorzugt. Als relativ einfach erwiesen haben sich als Clients für Rechner:

  • Evolution, wenn auch ein klein wenig angestaubt
  • Thunderbird, wenn es auch unter Windows klappen soll
  • Geary, wenn man tatsächlich einfach nur E-Mails haben möchte, ohne irgendwelche zusätzlichen Funktionen

Für Android finde ich persönlich den mitgelieferten E-Mail-Client ganz brauchbar. Allerdings muss gesagt werden: Die Nachrichten werden mit den vorgeschlagenen Lösungen standardmäßig nur beim Transport verschlüsselt, die Integrität kann zudem nicht gewährleistet werden. Ist aber, wenn man E-Mails für geschäftliche Kontakte nutzt, auch nicht ganz so wichtig (bevor man mich jetzt erschlägt: So sieht die aktuelle Welt nunmal aus. Findet euch damit ab). Die wenigsten können mit S/MIME oder GPG etwas anfangen.

IRC

Auch wenn es nicht ganz zum Thema passt, so muss hier doch IRC erwähnt werden. IRC ist kein wirkliches Protokoll für das, was man aktuell unter „Messenger“ versteht. Es eignet sich hervorranged für Chats, man kann damit leicht mit Entwicklern aus aller Welt in Verbindung treten, aber für die meisten Menschen dürfte das ganze ziemlich bedeutungslos sein. Vorteil ist auch, dass man in der Regel keinen Account benötigt (d.h., bevor man sich verbindet, einen beliebigen Namen wählen kann), aber einen Account nutzen kann, wenn man möchte.

Um aber auf meine obigen Ausführungen zurückzukommen: IRC-Clients erschlagen einen manchmal regelrecht mit Optionen. Hier gibt es aber mittlerweile die Software Polari, welche seit Version 3.20 auch langsam die Standards unterstützt, die man so braucht. Die Software ist einfach zu konfigurieren, funktioniert und bietet ein angenehm modernes Aussehen.

Jabber/XMPP/OMEMO

Um jetzt auf den eigentlichen Punkt des Artikels zurückzukommen: Messenger.

Messenger sind das, was viele von uns ununterbrochen nutzen. Ich rede hier von WhatsApp, Facebook Messenger, Googles Hangout oder auch dem Vorläufer alledem: SMS bzw. MMS (zugegeben, das sieht nicht jeder so).

Das dahinterliegende Protokoll hört auf den Namen XMPP (vormals Jabber) und hat leider ein gravierendes Problem: Verbindungsabbrüche werden damit nicht gut vertragen. Dieses Problem versucht man mittels diverser Erweiterungen zu lösen.

OMEMO ist eine dieser Erweiterungen. Es implementiert das Signal (Axolotl) Protokoll (der Name stammt wohl vom Signal-Messenger) und erweitert XMPP um die Möglichkeit mehrere Clients verwenden zu können, welche auch zeitweise offline sein dürfen. Also genau das, was man bei mobilen Geräten braucht.

Für XMPP gibt es (ebenfalls) wieder (gefühlt unendlich) viele unterschiedliche Clients. Ebenfalls mit dem Problem, dass manche altbacken wirken, auch wegen dem oft klassischen Layout wie man es von frühen ICQ-Versionen kennt (zugegeben, allzuviele Möglichkeiten das sinnvoll umzusetzen sehe ich hier auch nicht).

Für Android bietet sich deshalb Conversations als moderner und einfach zu verwendender Messenger an. Auf dem Desktop gibt es aktuell wohl nur Gajim, welches die OMEMO-Erweiterung unterstützt.

Im Gegensatz zu den meisten proprietären Standards erlaubt XMPP zudem Federation. D.h. wenn ich Conversations als Messenger nutze muss ich nicht zwingend auch ein Konto bei Conversations.im haben – ich kann auch einfach meinen eigenen XMPP Server aufsetzen oder einen beliebigen anderen verwenden. Hierbei sollte man allerdings darauf achten, dass der Server auch alle benötigten Erweiterungen des Protokolls unterstützt. Glücklicherweise gibt es das mittlerweile schön grafisch aufbereitet: Passende Server zur Nutzung mit Conversations (Tipp: Alles was grün ist, ist gut; alles was rot ist, ist weniger gut).

Fazit

Die Situation ist noch immer nicht optimal. Um ehrlich zu sein sogar relativ beschissen sieht man sich die vielen proprietären Alternativen an. Conversations ist nett, aber man muss erst, wie auch bei anderen Messengern, den Freundeskreis überzeugen (auch wenn das bei Conversations relativ einfach sein dürfte – das Programm ist wirklich simpel zu verwenden). Nachteil ist, dass die Software über den Google Play Store aktuell bezahlt werden muss. Andrerseits muss die Entwicklung auch finanziert werden, ebenso wie der (oder die?) Server, welche im Hintergrund stehen. Wer das Teil nur ausprobieren will kann ohne großen Aufwand die Software auch über F-Droid herunterladen. Und an der Stelle auch mal ein Link zu dem Artikel, der mich überhaupt erst wieder auf das Thema aufmerksam gemacht hat (so als kleiner Credit, zumal wirklich lesenswert): Conversations: Sicherer Android Messenger • Kuketz IT-Security Blog.

Was ich persönlich auch als Problem sehe: Die Namensgebung. Die wenigsten Menschen dürften mit den Begriffen XMPP oder OMEMO etwas anfangen dürfen. Jabber war halbwegs in Ordnung, aber ist als Bezeichnung (zumindest offiziell) veraltet. Bei IRC stellt sich dieselbe Problematik. Conversations hingegen kann man sich gut merken, wobei der Begriff selbst aber auch wieder zu allgemein ist. Andrerseits: Meckern kann jeder, denn eine wirkliche Lösung für all das habe ich auch nicht. Und um ehrlich zu sein sehe ich auch nirgendwo eine wirkliche Lösung. Offene Standards können nur dann erfolgreich werden, wenn sie entsprechend unterstützt werden. Wenn man sie nutzt, auf sie aufmerksam macht. Wenn man den Freundeskreis dazu zwingt, ebenfalls Conversations zu nutzen. Aber damit ist man auch nicht besser als eine Firma, welche ihre eigenen Produkte vermarkten will (nunja, ein wenig besser solange der Standard offen ist).