Regenbogenempfang in Regensburg

Regenbogenempfang in Regensburg

Am Freitag, den 26.07.2024, gab es im Alten Rathaus – in Regensburg – zum ersten Mal einen sogenannten Regenbogenempfang. Was genau das sein soll ist mir bis jetzt immer noch nicht so ganz klar, das Einladungsschreiben dazu sagt folgendes:

Einladung - Beschreibung.jpg

Eingeladen wurden hierzu Vertreter*innen verschiedenster Organisationen, darunter auch ich als Mitglied des Trans-Ident e.V. Regensburg. Zu den weiteren Organisationen gehörten bspw. Queeres Regensburg, Resi e.V., oder auch QUEER-Streifen.

Letztere richten das jährliche QUEER-Streifen Filmfestival aus, was ich an dieser Stelle jeder queeren Person ans Herz legen möchte. Ich war letztes Jahr zum ersten Mal – natürlich mit Begleitung – dort, und habe selten so viele glückliche queere Pärchen gesehen, die alle gemeinsam in einem durchaus kuscheligen Kino queere Filme ansahen. Das war ein für mich unglaublich schönes Erlebnis. Wenn ihr also die Chance dazu habt, euch das mal anzusehen: Macht das!

Die erste Ernüchterung: Weniger bunt als erwartet

Als meine Freundin und ich am Alten Rathaus ankamen, gab's bereits die erste Enttäuschung. Wir waren bunt gekleidet, beide im Rock, gefärbte Haare, ich hatte noch meine Fingernägel lackiert, sie trug ein weißes T-Shirt mit vielen kleinen regenbogenfarbenen Kätzchen, ich trug ein schwarzes T-Shirt mit vier Katzen, wobei die Farben der Katzen der Non-Binary-Pride-Flag entsprachen, kurzum: Wir fielen doch zu einem gewissen Grad auf.

Der Rest war leider deutlich förmlicher gekleidet, als mir lieb war. Es gab keinen offiziellen Dresscode, aber es war weniger bunt als erwartet. Die Mehrheit der Männer trug Anzug, und falls es kein Anzug war, dann zumindest ein Hemd. Viele der Frauen trugen entsprechend Kleider. Und nicht falsch verstehen – die Menschen sahen schon gut aus, nur irgendwie nicht so wirklich queer, von einzelnen Pride-Pins o.ä. mal abgesehen.

Man kann sich jetzt darüber streiten, wie queere Personen denn auszusehen haben, denn letztendlich kann jede Person herumlaufen wie sie möchte, andrerseits hatte ich bei einem Regenbogenempfang ja schon auf ein bisschen mehr „bunt“ gehofft.

Der falsche Regenbogen

Nachdem man sich dann mit Namen angemeldet hatte, ging's auf zum Historischen Reichssaal, in dem die Veranstaltung stattfinden sollte.

Der Hintergrund des Saals wurde vorne zudem bunt beleuchtet. Und das hatte mich dann doch etwas amüsiert, weil bis jetzt nicht klar ist, ob Absicht oder nicht, denn: Auf eine gewisse Art wurde der Saal falsch beleuchtet.

Es fing an mit rot, orange, dann gelb. Genau das, was man bei einem Regenbogen erwarten würde. Genau das, was auch auf jeder Pride Flag in genau dieser Reihenfolge abgebildet wurde.

Dann ging es allerdings weiter mit einem (sehr schönen) pink, lila, blau, und dann grün.

Ob das Absicht war oder nicht – keine Ahnung. Ich fand's angesichts des Titels der Veranstaltung einfach nur amüsant.

Die zweite Ernüchterung: Das Programm

Das Programm war der zweite Punkt, der mich nicht so wirklich ansprach. Ich hatte an der Stelle auch keine wirklichen Erwartungen, ich hatte nur gehofft, dass es eben kein klischeehafter Empfang werden würden, so wie man's kennt. Wir sind queer, wir sind bunt, wir sind … anscheinend doch einfach genauso langweilig wie der Rest. Was einerseits gut ist, denn queere Menschen sind genauso wie nicht-queere Menschen halt einfach nur Menschen. Andrerseits … warum denn nicht mal was anderes machen?

Eingeleitet wurde die Veranstaltung durch „Una Mattina“, gespielt auf einem Klavier, was auch wirklich sehr schön war (ich liebe ja Klavierstücke), aber eben auch sehr klassisch, genau das, was man so erwarten würde.

Danach kam die Begrüßungsrede durch die Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer, und da fingen die Probleme dann an. Ich kenne die Frau nicht, ich möchte ihr auch nichts böses unterstellen, aber im Hinblick auf Menschen die sich irgendwo zwischen oder außerhalb des binären Spektrums befinden hatte ich mir erhofft, dass man insbesondere auf einer Veranstaltung, die sich explizit an die queere Community richtet, zur Begrüßung eine bessere Formulierung als „Damen, Herren, und Gäste“ findet. So wirklich angesprochen fühlt man sich damit als nicht-binäre Person leider nicht. Aber gut, das ist der erste Regenbogenempfang, und manchmal brauchen Dinge einfach Zeit.

Weniger schön war, dass die Frau merklich Probleme mit dem Begriff „LGBTQIA+“ hatte, was dann schnell zu „LGBTQ…ETC.“ abgekürzt wurde. Und das finde ich dann schon etwas schwierig. Man hätte auch einfach „LGBTQ+“ sagen können, man hätte „queere Community“ sagen können, was man meiner Ansicht nach nicht machen sollte ist es genau das zu tun, was Gegner*innen der queeren Community machen: Den Begriff mit „etc.“ zu beenden, so als wäre es ein Buchstabensalat, den man halt irgendwie beenden muss. Irgendwann fiel dann auch noch der Begriff „Buchstabensuppe“, was insofern problematisch ist, weil diese „Buchstabensuppe“ eine Bedeutung hat, und eben keine Suppe ist.

Danach ging es weiter mit Stadtrat Alexander Irmisch, Co-Vorsitzender von Queeres Regensburg e.V., welcher mir recht positiv in Erinnerung blieb, ganz ohne Fauxpas.

Wiederum auf dem Klavier gespielt leitete dann „Für Elise“ über zum ehemaligen Regierenden Bürgermeister Berlins, Klaus Wowereit.

Dieser begrüßte zwischendurch die Menge mit „Freundinnen, Freunde, Damen und Herren, und wer sich davon nicht angesprochen fühlt ist selbst Schuld“. Das fand ich an der Stelle dann schon sehr hart, und möglicherweise ist mir dabei auch ein Schimpfwort herausgerutscht, denn: Es ist eine explizit queere Veranstaltung, es geht um Toleranz, Vielfältigkeit, man will sich gegen Diskriminierung einsetzen. Und dann wird einfach hart binär gegendert, und wenn du dich damit nicht angesprochen fühlst, bist du halt selbst Schuld. Kannste so nicht machen, wirklich nicht.

Warum dann ausgerechnet dieser Mann auch noch über trans Personen reden musste, ist mir auch ein Rätsel. Wenn ihr was über trans Personen hören wollt, dann holt euch halt eine trans Person. Ist ja nicht so, als wären keine anwesend gewesen. Es gibt einen Trans-Ident e.V. in Regensburg, lasst doch einfach jemanden davon sprechen. Mich nervt das so sehr, wenn von cis Personen ständig über trans Personen gesprochen wird, aber nicht mit trans Personen. Jedes Mal. Wie selten ich erlebe, dass man mal eine trans Person das Wort ergreifen lässt.

Was das Thema AfD dann zu suchen hatte ist mir auch nicht so ganz klar. Also, die politische Richtung der Partei ist gelinde gesagt problematisch, aber musste das unbedingt angesprochen werden? Andere Parteien, die hier vertreten waren, sind nämlich auch problematisch. Inwiefern man hier so tun muss, als wäre man da in irgendeiner Form moralisch überlegen, ist für mich als trans Person, die von so vielen Parteien maximal wie ein notwendiges Übel behandelt wird, nicht nachvollziehbar.

Der letzte Teil der Veranstaltung hob die allgemeine Stimmung zum Glück dann wieder deutlich an, es gab nämlich ein „Kabarettistisches Coachingprogramm“ namens „Gayversity“ von Malte Anders. Nicht alles davon hat mich angesprochen, teils wurde auf ein paar durchaus problematische Klischees zurückgegriffen, aber gut, das ist Kabarett, da kann ich das noch verstehen. Am Ende war das für mich der beste Teil des Abends, der auch die Stimmung wieder deutlich hob.

Neurodivers? Lol.

Was nicht so schön war: Man wollte zwar inklusiv wirken, aber war es – wie üblich – nicht. Für neurodiverse Menschen war diese Veranstaltung leider unglaublich anstrengend, man nahm absolut keine Rücksicht. Ich gehe nicht davon aus, dass das Absicht war – man hatte es wahrscheinlich schlicht nicht auf dem Schirm.

Neurodiversität gibt es unter trans Personen aber erstaunlich viel – wer trans ist, sollte auch mal Autismus und ADHS abklären lassen. Und diese kommen nicht zwingend mit zu vielen Geräuschen klar, mit zu viel Chaos, Klatschen, Stampfen, also genau das, was man auf der Veranstaltung gemacht hat.

Die einzelnen Sprecher*innen haben oft auch nicht gewartet, bis es ruhiger wurde, sondern sprachen einfach weiter. Mir fehlen entsprechend ganze Teile von dem, was gesprochen wurde, schlicht weil ich es nicht verstanden habe. Und ich war damit auch nicht alleine.

Was war eigentlich das Ziel?

Was bis zum Ende nicht so ganz klar wurde: Was war nun eigentlich das Ziel der Veranstaltung?

In den einzelnen Reden wurde sehr viel – viel zu viel – über die Vergangenheit geredet. Ich möchte die Errungenschaften, die in der Vergangenheit erzielt wurden, auch nicht kleinreden. Sie sind wichtig, und es ist schön zu sehen, was über Generationen erreicht wurde.

Nur: Das macht die Stadt nicht automatisch toleranter, offener, oder inklusiver.

Die Standesämter in Regensburg legen das neue SBGG zum jetzigen Zeitpunkt sehr restriktiv aus, ich kann meinen Namen darüber beispielsweise nicht ändern. Es gibt zudem zu wenige Endos, so dass man hier mittlerweile Wartezeiten von mehr als einem Jahr hat, wenn man eine Hormontherapie beginnen möchte. Das Uniklinikum weist trans Patient*innen bei manchen OPs ab, die sie an sich schon durchführen würden wenn man cis ist, und verweist stattdessen lieber auf Städte in NRW. Wer Opfer von Queerfeindlichkeit wurde muss sich zudem darauf einstellen, dass das Verfahren ggf. einfach eingestellt wird, sofern es überhaupt eines gibt.

Und da frage ich mich halt schon, was man jetzt eigentlich möchte. Es gibt ganz konkrete Probleme, die gelöst werden wollen, aber nichts davon wurde angesprochen. Über die Zukunft wurde effektiv kein Wort verloren.

08/15 cis het?

Am Ende hat sich die Veranstaltung für mich wie eine 08/15 cis het Party angefühlt, auf der man sich dafür feiert, was man irgendwann mal erreicht hat. „cis het“ hierbei eher im Sinne von sehr cis-gender-lastig und heteronormativ, nicht im Sinne von heterosexuell.

Themen, die wichtig gewesen wären, wurden nicht angesprochen. Man hat sich für die Ehe für alle gefeiert, hat aber polyamore Menschen komplett ignoriert. Es ging sehr viel um schwule und lesbische Personen, aber wenn du bisexuell oder pansexuell bist wurdest du nicht einmal erwähnt. Es wurde wieder von cis Personen über trans Personen gesprochen, und nicht-binäre Wesen wurden einfach komplett ignoriert bzw. – je nachdem wie man den Satz von Klaus Wowereit interpretieren möchte – sogar noch ins Lächerliche gezogen und diskriminiert.

Und das alles finde ich sehr schade.

Wie geht's weiter?

Trotz all der Kritik hoffe ich stark, dass dies nicht der erste und einzige Regenbogenempfang bleibt. Das grundlegende Ziel – Offenheit, Toleranz, Vielfältigkeit, sowie sich aktiv gegen jede Form der Diskriminierung einzusetzen – ist gut so wie es ist.

Nur das wie sollte man vielleicht etwas überdenken. Ich bin der Ansicht, dass man gemeinsam handeln muss, um die Welt für alle zu verbessern, insofern bringt es auch wenig sich mit anderen Personen, die letztlich zum gleichen Kreis wie eins selbst gehören, zu streiten. Trotzdem sollte man erwarten können, dass man eine gewisse Rücksicht auf Minderheiten nimmt. Hoffen wir, dass das beim zweiten Regenbogenempfang nächstes Jahr dann besser klappt.